Die schönsten Geschichten aus den Dobermann-Rallye-Archiven 26

ZUM ALTEN WILLI
eine nochmal gutgegangene Tragödie von Andreas Hofbauer

Holger hat eine schreckliche Entdeckung gemacht. Er kommt ins Zimmer gerannt und schreit: „Kommt schnell, Herr Praetorius will seine Frau zum Fenster hinaus werfen!“

Alle rennen die Treppe hinauf, stürmen die Praetorius’sche Wohnung und rufen: „Nein, Herr Praetorius, werfen sie nicht ihre Frau zum Fenster hinaus!“ Herr Praetorius, der seine zappelnde und schreiende Frau mit beiden Armen über den Kopf hält, sagt: „Wohl werde ich meine Frau zum Fenster hinauswerfen.“ Alle rufen erneut: „Nein bitte, werfen Sie nicht ihre Frau zum. Fenster hinaus!“ Doch Herr Praetorius will nicht nachgeben und entgegnet: „Allerdings werde ich sie hinauswerfen.“ Die Leute werden ungeduldig: „Sie werden nicht!“ Herr Praetorius antwortet mit fester ruhiger Stimme: „Oh doch, ich werde!“ Die Leute: „Nein, nicht!“ Er: „Doch!“ Die Leute: „Nein!“ Herr Praetorius: „Doch!“ Nun schreitet Holger ein: „Herr Praetorius, wissen Sie nicht, dass es verboten ist, seine Frau zum Fenster hinauszuwerfen?“ Die Leute sagen: „Aber ja, genau so ist es, man darf seine Frau gar nicht aus dem Fenster werfen,“ Doch einige zweifeln: „Na, so sicher sind wir uns da nicht, ob das wirklich ausgesprochen verboten ist. Wir haben das noch nicht gelesen, dass es tatsächlich von Gesetzes wegen untersagt ist, die eigene Frau aus dem Fenster zu werfen. Aber wir für unseren Teil halten es für jedenfalls unmoralisch, irgendwelche Frauen aus dem Fenster zu werfen, und seien es die eigenen, in unserem Falle also die von Herrn Praetorius. Herr Praetorius, hören Sie! Das ist unmoralisch, was sie sich da zu tun anschicken. Lassen Sie jetzt bitte von ihrem Vorhaben ab!“ Herr Praetorius will davon gar nichts wissen, er sagt: „Nein, ich lasse nicht ab von meiner Frau, denn sie hat es verdient, aus dem Fenster geworfen zu werden.“ Holger insistiert: „Herr Praetorius! Ich bestehe weiter darauf: es ist verboten. Man darf seine Frau nicht zum Fenster hinauswerfen.“ Die Leute pflichten ihm bei: „Ja, so ist es, Holger hat recht: verboten ist es und zwar bei Strafe. Wir fordern Sie hiermit auf im Namen von Recht und Gesetz: Lassen Sie ab. Bringen Sie kein Unglück über sich und Ihre Familie!“ Herr Praetorius bleibt weiter mit seiner Frau am Fenster stehen, er wird etwas unsicher: „Ich glaube schon, dass ich werfen werde.“ Holger erkennt die Schwäche: „Aber bitte, Herr Praetorius, wenn Sie unbedingt darauf bestehen. Über die Rechtslage habe ich Sie ja aufgeklärt. Es ist Ihre Entscheidung, aber ich an Ihrer Stelle würde mir wegen Ihrer Frau keine solche Unannehmlichkeiten bereiten. Ich schlage vor, dass wir jetzt alle zusammen unten im Alten Willi was trinken gehen. Nach all der Aufregung können wir das gut vertragen, und Ihre Frau, die tun wir erst mal für ein, zwei Wochen weg. Bis dahin wird sich gewiss alles klären, und notfalls können Sie auch dann noch werfen, jederzeit können Sie sie werfen, wenn Sie es nach reiflicher Überlegung für notwendig erachten sollten. Aber jetzt gehen wir erstmal einen trinken, ja?“

Herr Praetorius lässt seine Frau auf die Schultern absinken und bittet um etwas Bedenkzeit, Holgers Vorschlag sei vielleicht gar nicht so schlecht. Die Leute sagen: „Ja genau, das ist ein sehr vernünftiger Vorschlag. Wir tun die Frau einfach weg für ein zwei drei Wochen, und dann wächst Gras über die Sache, und es wird gar nicht mehr nötig sein, sie zu werfen, So hat Holger das gemeint, und das ist kein schlechter Rat, und wenn es unsere Frau wäre, würden wir es auch so machen. Wirklich eine sehr gute Idee von Holger.“ Holger ist sehr zufrieden, dass ihm alle beipflichten, wehrt aber bescheiden ab: „Ach, da hätte doch jeder von uns drauf kommen können, das ist doch nicht der Rede wert. Hauptsache es herrscht wieder Frieden im Praetorius’schen Haushalt, und darauf lasst uns jetzt anstoßen!“ Herr Praetorius hat seine Frau zu Boden gelassen und sie liegen einander schluchzend in den Armen. Die Leute rufen: „Auf, in den Alten Willi! Die Praetoriusse haben sich versöhnt, das muss begossen werden!“

Aufgeregt durcheinanderredend rennt die ganze Gesellschaft hinunter in den Alten Willi und bestellt Biere und Schampus.

Die schönsten Geschichten aus den Dobermann-Rallye-Archiven / Zum alten Willi
Dieser Text erschien erstmalig im März 1994 in: Dobermann Rallye 4.
Die Redaktion Dobermann Rallye existierte von 1991 bis 2000.
Publikationen der Redaktion erfolgten unter den Namen: Dobermann Rallye, Pekinese Schnitzeljagd und Die Dob Red Protokolle
Andreas Hofbauer / Zum alten Willi / Dobermann Rallye 4 / Die Dob Red Protokolle / ISSN 1435-1625