Die schönsten Geschichten aus den Dobermann-Rallye-Archiven 08

Hendrik Fokken
BERICHT AUS DER REDAKTION

In diesem Heldenepos werden einige unerfreuliche Charaktereigenschaften der Mitglieder der Redaktion Dobermann Rallye wahrheitsgemäß benannt. Wir kamen deshalb überein, die wahren Identitäten mit Begriffen aus der Welt der Nahrungsmittel zu verschleiern

Früher wurde bei unseren Redaktionskonferenzen ja noch mehr geraucht. Big Mäc und Kartoffelpüree sind eigentlich markentreu, Maiskolben mal so mal so, manchmal hat er diese coole englische Marke mit, die übersetzt so ungefähr Altersheim Kundendienst heißt und scheiße schmeckt. Erbsensuppe raucht überhaupt nicht. Er ist ein Weichei. Wenn er nicht Angst hätte, dass wir ihn auslachen, würde er sogar lieber Tee trinken als Bier. Er bildet die Memmenfraktion unserer Gruppe. Ich habe noch keinen Abend erlebt, wo er mal mehr als drei Bier getrunken hat. Nicht, dass Kartoffelpüree mehr trinken würde, aber der raucht wenigstens. Big Mäc raucht ja jetzt inzwischen auch nicht mehr. Er hat dieses Propagandabuch gelesen, wo gerade so viele Leute drauf reinfallen. Um diese Schwäche zu kompensieren gibt er sich beim Saufen keine Blöße mehr. Im Nachtbus darf Big Mäc nicht mehr mitfahren, die Fahrer kennen ihn schon und haben Angst, dass er wieder alles vollkotzt. Auch Maiskolben kann kein Bier stehen lassen. Er trinkt zwanghaft und völlig unkontrolliert.

Jetzt erinnere ich plötzlich doch noch einen Abend, genauer gesagt handelte es sich um eine Backstageparty nach einer unserer Lesungen in der Komödie am Kurfürstendamm, bei der Erbsensuppe doch tatsächlich dreieinhalb Bier getrunken hat. Er war so blau, dass er mit mehreren Groupies gleichzeitig im Bett gelandet ist. Diese gaben hinterher analog zu Protokoll: An seinem „…Schwanz zeigen sich schuppen- und knorpelartige Ringe, am ganzen Körper Borsten und Stacheln.“ (aus: Die Skelette der Nagetiere, abgebildet und verglichen von D’Alton. Erste Abteilung: zehn Tafeln, zweite: acht Tafeln. Bonn 1823 und 24. zitiert nach: Goethes Werke, Hamburger Ausgabe 1955, Band XIII: Naturwissenschaftliche Schriften: Seite 216) Erbsensuppe wollte sich später an nichts mehr erinnern. Er trägt wahrscheinlich viel vom Erbgut seines Ur-Ur-Ur-Großvaters Ernst-August Erbsensuppe in sich, der auch ein rechter Fickhengst war und schon im frühen Alter an Alzheimer litt. Ernst-August Erbsensuppe gründete im Jahre 1795 mit Walter Big Mäc, Theodor Kartoffelpüree und Wilhelm Maiskolben die Literaturgesellschaft Nudelsalat, der auch Goethe einmal beitreten wollte, jedoch mit den Worten „der kann uns mal am Arsche lecken“ abgelehnt wurde, was widerum diesen, obgleich natürlich brüskiert, zu einer kleinen Niederschrift inspirierte.

Doch genug aus alten Zeiten geplaudert. Sehr viel mehr als diese kleine Begebenheit ist uns eigentlich ohnehin nicht überliefert. So können wir beispielsweise nur spekulieren, ob auch Walter Big Mäc ein ebensolcher Bockwurstfanatiker war wie sein Ur-Ur-Ur-Enkel. Möglicherweise lachte er auch aus nichtigsten Anlässen auf dieselbe beknackte Art und Weise. Wir wissen es nicht. Seit einigen Jahren ist aber bekannt, daß man Big Mäc ja zumindest in Frankreich Le Big Macke nennt. Vielleicht ein erster Erklärungsansatz.

Ebensowenig wissen wir, ob Maiskolbens Ur-Ur-Ur-Opa genau wie sein Nachkömmling beim Billard den Arsch immer so rausgestreckt hat, und wie die Frauen damals darauf reagierten.
Erbsensuppes Urahne hatte wahrscheinlich wohl ein schweres Gehleiden. Darauf beruft sich Erbsensuppe jedenfalls immer, wenn wir die Sitzungskneipe für unsere Konferenzen bestimmen. In den mehr als sieben Jahren meiner Redaktionszugehörigkeit ist es noch nicht einmal vorgekommen, dass die Kneipe mehr als fünfhundert Meter von Erbsensuppes Wohnung entfernt gelegen war. Das einzige Redaktionsmitglied, das keine gravierenden Charakterschwächen hat, ist Kartoffelpüree. Er ist ein untadeliger Kerl und schwer in Ordnung.

Jetzt kommen wir zum asymptotischen Verlauf der Handlung.
Gegen kurz vor neun kündigt Erbsensuppe in aller Regel das Ende des ersten Tagesordnungspunktes mit den Worten an: „Wollen wir jetzt Billardspielen? Oder haben wir noch was zu besprechen?“ Im Normalfalle ist es dann Maiskolben, der tatsächlich noch was wichtiges sagen meint zu müssen: „Oder wollen wir die Termine für die nächste Lesung nochmal durchgehen? Oder noch was bestellen?“, lallt Big Mäc. „Für mich ein Radeberger.“ „Für mich auch.“ „Und noch eins, nee, oder doch lieber Paddy auf Eis, oder Weinbrand Cola.“ „Ein Clubsandwich für Tisch acht.“ „Oder noch ein Bier.“ „Radeberger oder Jever?“ „Äh, oder doch lieber ein Jasmintee“, sagt Erbsensuppe. „Oder doch ein Bier?“ „Radeberger oder Jever?“ „Oder doch Weinbrand Cola“, sagt Kartoffelpüree. „Mariacron oder Dujardin?“ „Oder nochmal vier Bier.“ „Radeberger oder Jever?“ „Eigentlich hätte ich doch lieber ne Bockwurst, oder Chili.“ „Aber ne Scheibe Brot dabei.“ „Schwarzbrot oder Graubrot?“ „Nee, dann nehm ich doch ein Bier.“ „Radeberger oder Jever?“ „Oder doch Bockwurst, oder Bratwurst?“ „Gelbe Soße oder rote Soße? Oder ohne?“ „Wo treffen wir uns denn nächstesmal? Bei Erbsensuppe?“ „Oder hier oder da, oder in Amerika?“

Wenn Big Mäc sich nächstesmal wieder sone bescheuerte Aufgabe ausdenkt, hau ich ihm eine rein. Oder tret ihm vors Schienbein. Oder ich grüß ihn nicht mehr. Na, eigentlich ist er ja doch ein netter Kerl. Ja, eigentlich! Oder ich hau ihm doch eine rein.

Die schönsten Geschichten aus den Dobermann-Rallye-Archiven / Bericht aus der Redaktion
Dieser Text erfüllt alle Bedingungen des Dobermann-Rallye-Wettbewerbs Nr. 6:
A. Die Handlung der Geschichte muss mindestens 200 Jahre umfassen.
B. Die Geschichte muss einen asymptotischen Verlauf nehmen.
C. Der Text soll ein Zitat von Goethe (mit Quellenangabe) enthalten.
D. Die Wörter und, oder und eigentlich sollen genau 13, 27 und 5 mal vorkommen.
Dieser Text erschien erstmalig im Juli 1998 in den Dob Red Protokollen 2.
Die Redaktion Dobermann Rallye existierte von 1991 bis 2000.
Publikationen der Redaktion erfolgten unter den Namen: Dobermann Rallye, Pekinese Schnitzeljagd und Die Dob Red Protokolle
Hendrik Fokken / Bericht aus der Redaktion / Die Dob Red Protokolle 2 / ISSN 1435-1625